Das Produktionsvorhaben
In Museen und Galerien sind Konzerte keine Seltenheit: Musik und bildende Künste begegnen und ergänzen sich, Visuelles wird akustisch umrahmt. Das Erschließen einer Gedenkstätte als Konzertraum stellte hingegen eine besondere Herausforderung dar. Denn hier steht das wissenschaftliche Informieren im Vordergrund, um den Gegenstand des Gedenkens im Gedächtnis der Menschheit zu erhalten.
So setzt sich das in Kooperation mit der Gedenkstätte Bautzen II veranstaltete Format des Artistic Researchs (engl. 'künstlerische Forschung') seit 2018 jährlich nicht nur mit einem inhaltlichen Bezugspunkt auseinander, sondern erschließt auch die materielle Räumlichkeit der Gedenkstätte als Klang- und Konzertraum. Musiker:innen unterschiedlicher stilistischer Prägung und 'musikalischer Heimat' begegnen sich in der Gedenkstätte, studieren Quellen und Biografien und schaffen auf dieser Grundlage ein musikalisch-performatives Programm als Reflexion.
Im Jahr 2020 sind Luise Enzian (Harfe), Frank Pschichholz (Gitarre), Chris Fisher (Elektronik), Etienne Aweh (Tanz), Franziska Pohl und Sophie Herwig (Performance) eingeladen, die Gedenkstätte Bautzen nicht nur als Erinnerungs- und Lernort, sondern auch Inspirationsquelle und künstlerischen Wirkungsraum zu erleben. Sie werden dabei wissenschaftlich unterstützt durch die Mitarbeitenden der Gedenkstätte. So entsteht ein Beitrag zu einer zeitgemäßen Erinnerungskultur, die emotionale Zugänge durch Künste öffnet. Im Mittelpunkt der Produktion steht die Biografie des Häftlings Benedykt Szuminskis. 1924 in Bromberg (heute Bydgoszcz, Polen) geboren kam er in den 1950er Jahren nach Westdeutschland. Im Dienst verschiedener Geheimdienst erhielt er drei Alias-Namen: Benon Szumanski, Jan Kaczmarek und Karl Liedke. Die Künstler:innen erschießen sich die Person und die Persona Szuminskis anhand der Gerichtsakte sowie weiterer zeitgenössischer Dokumente und werfen damit ein Licht auf das Leben eines Grenzgängers im Europa des Kalten Krieges.
Die Künstler
Die Harfenistin Luise Enzian ist ihrem Instrument seit der Jugend verbunden. Nach Studien an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt, der HfM Trossingen bei Prof. Renie Yamahata (Konzertharfe) befasste ei sich verstärkt mit der Barokharfe. Das führte sie an die HfM Hanns Eisler bei Margret Köll und an der Scuola Civica Claudio Abbado bei Prof. Mara Galassi. Luise Enzian tritt als Solistin – unter anderem an der Staatsoper unter den Linden in Berlin – sowie Mitglied renommierter Klangkörper wie dem Radio-Sinfonieorchester des SWR auf. Sie ist Teil verschiedener Ensembles, wie dem Barockensemble Volcania und spielt im Duo mit der Saxophonistin Asya Fateyeva. Neben dem Repertoire der historischen Musik für Barockharfe interessiert sie sich auch für zeitgenössische Kompositionen.
Frank Pschichholz ist Gitarrist, Lautenist, Musikforscher, Ensembleleiter, Songwriter, Bluesfan und Musikpädagoge. Er spielt seit über zwanzig Jahren auf der internationalen Musikszene als Solist und als Mitglied zahlreicher Ensembles und Orchester. Sein Instrumentarium umfasst Renaissance- und Barocklauten, Theorbe, historische und klassische Gitarren und E-Gitarre. Mit seinem Ensemble The Schoole of Night lotet er die musikalischen Tiefen der Melancholie aus, insbesondere in den Liedern von John Dowland. Hier liegt auch seit einigen Jahren sein Hauptinteresse seiner musikwissenschaftlichen Arbeit. Die Schoole of Night befindet sich bis zum Jahre 2026 auf einer „John Dowland Pilgerreise“, auf deren Weg sämtliche Lieder von John Dowland auf CD erscheinen werden. 2019 führte die Schoole of Night das Werk „...wohlgestimmtete gebärende Harmoney...“ von Manfred Stahnke auf, ein Stück, dass sich Jacob Böhme mit mikrotonaler Musik annähert und für die Schoole und die Görlitzer Nikolaikirche geschrieben wurde.
Als Komponis, Musiker und auch Tontechniker arbeitet Chris Fischer als freier Musiker/Komponist an Musik-, Theater- und Filmproduktionen. In Studio, audio-visuellen Live-Performances und Klangskulpturen vereint der Multi-Instrumentalist unterschiedlichste musikalische Genres und bewegt sich dabei spielerisch zwischen Clubkultur, elektronischer Klangerzeugung, Kontrabass, orchestraler Komposition, Rock ́n’Roll und Jazz. Neben europaweiten Konzerttourneen, internationalen Produktionen lebt und arbeitet er in der zurückgezogenen Idylle des Zittauer Gebirges.
Etienne Aweh studierte am der ArtEZ Dansacademie in Arnheim (Niederlande) und anschließend an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden. Ein Erasmusaustausch führte ihn 2009 an das Conservatoire National Supérieur de Musique et Danse Lyon. Ab 2012 war er für zwei Spielzeiten als Tänzer in der Dance Company Theater Osnabrück unter der Leitung von Mauro de Candia engagiert. Seit 2014 arbeitet er freischaffend als Tänzer, unter anderem als Gast am Theater in Lüneburg, Görlitz, Münster, Rostock, Landesbühnen Sachsen, sowie mit freischaffenden Choreographen wie Nikolaus Adler in Wien, Yeona Yu in Süd Korea und Magdalena Weniger in Dresden. Er ist Teil des Kollektivs "four rooms", mit dem er regelmäßig in Dresden an verschiedenen Orten der Stadt mit Tanzprojekten präsent ist.
Franziska Pohl studierte an der Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg und an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Seit 2017 arbeitet sie freiberuflich in performativen Projekten. Mittlerweile lebt sie wieder in der Oberlausitz u.a. als Projektleitung für Projekte der Hillerschen Villa gGmbh, den Städtischen Museen Zittau, dem Kinderschutzbund Zittau und weiteren. 2019 wirkte Franziska Pohl erstmals an einer Prouktion des "Kommen und Gehen" - Das Sechsstädtebundfestival! mit als kunstpädagogische Leitung des Projekts "Installation und Performance" im Frauentrakt der Gedenkstätte Bautzen mit.
Aus Ostsachsen kommt auch Sophie Herwig. Sie hat da den Beruf der Gestaltungstechnischen Assistentin gelernt und Medienmanagement an der Hochschule Mittweida studiert. Danach schrieb sie in Ungarn für die Budapester Zeitung. In Reutlingen war sie auf der Reportageschule. Seit 2017 lebt und arbeitet sie als freie Journalistin in Zittau. Sie veröffentlichte u.a. in "Zeit", "taz" und "stern".
Der Arbeits- und Veranstaltungsort
Im Gebäude des ehemaligen 'Stasi-Knastes' Bautzen II befindet sich heute eine Gedenkstätte. Hier wird an die Opfer der beiden Bautzener Gefängnisse erinnert. In den Haftanstalten Bautzen I und II wurden während des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur politische Gegner unter unmenschlichen Haftbedingungen gefangen gehalten. Die ständige Ausstellung dokumentiert die Leiden der Opfer und zeigt die politisch-historischen Zusammenhänge auf. Zu besichtigen sind weiterhin beispielsweise im Original erhaltene Arrestzellen, der Isolationstrakt und die Freiganghöfe der früheren MfS-Sonderhaftanstalt Bautzen II. Mehr Informationen...
Der Kooperationspartner
Die Förderer
Gefördert durch den Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien.