Hymnen singt man heute in Stadien, zu Medaillenverleihungen und bei Staatsakten. Und auch wenn Nationalhymnen zum "klingenden Allgemeinwissen" gehören: so richtig identifiziert man sich mit ihnen und dem Bekenntnis, das beim Singen und Spielen mitschwingt, nicht mehr.
Bevor die Hymne im christlichen Mittelalter eine liturgische Funktion erhielt, war sie in der Antike ein feierlicher Preis- und Lobgesang durchaus irdischer Natur. Auf dieses Merkmal beruft sich ein 2020 durch das "Kommen und Gehen" - Das Sechsstädtebundfestival! ins Leben gerufenes Projekt: in jedem Jahr wird eine Stadt des historischen Städtebundes im Mittelpunkt einer Kompositionsresidenz stehen. Ihr musikalisches Erbe, die Stadtstimmung der Gegenwart und die klingende Reflexion eines Spaziergangs durch alte Straßen und über neue Plätze sind Material für einen "Satz" einer neuen Hymne für die Region. Das bekannte Oberlausitzlied soll keinesfalls abgelöst werden – vielmehr wird ein Musik-Mosaik enstehen, dass für Einheimische ebenso wie für Gäste viele klingende Entdeckungen bereithält und ein Schlüssel zur reichen Kulturgeschichte der Region darstellen kann.
2020 schufen Jerzy Owczarz, Samuel Wagner und Christian Kühne mit dem "Geburtstagsständchen für die Stadt Luban" einen ersten Satz der neuen "Sechsstädtebundhymne", die mit dem Scharwenka-Quartett zum Abschluss des "Kommen und Gehen" - Das Sechsstädtebundfestival! zur Uraufführung kam.
2021 bietet der 675. Jahrestag der Gründung des Sechsstädtebundes die Chance, als Ausblick die gesamte Region musikalisch-künstlerisch in den Blick zu nehmen. Einen MUSIKRAUSCH OBERLAUSITZ schaffen Cymin Samawatie, Ketan Bhatti, Konstantin Dupelius und Benedikt ter Braak für ein bundes Ensemble aus Grenzgänger:innen zwischen Klassik und Popkultur: Mitglieder des Trickster Orchestras, des Paranormal String Quartets und das "Kommen und Gehen"-Festivalorchestern aus Musiker:innen der Region reisen durch die Musikgeschichte des historischen Schutzbundes.
Alten Werken wird in Rekompositionen und Arrangements neue Kraft, moderner Ausdruck, Farbe und Klang gegeben. Dabei wird das historische Repertoire aus der Perspektive der Neuzeit erzählt: Rhythmen werden durch elektronische Beats erweitert, alte Instrumente in neue Klangfarben übersetzt, zeitgenössische Stilistiken verschiedener Genres in die alten Werke eingeflochten. Das "Kommen und Gehen" - Das Sechsstädtebundfestival! wagt etwas aufregend neues, bricht mit klassischen Dogmen und Hörgewohnheiten. Wertschätzung für das historische Kulturerbe ist dabei Voraussetzung, denn Neues kann nur auf gesunden, tiefgehenden Wurzeln wachsen und blühen.
Zur Uraufführung des "Musikrausch Oberlausitz" wird Videokunst von Petr Mikšíček zu sehen sein. Der tschechische Künstler schafft mit Videoprojektionen atmosphärische Kunstwerke, die in enger Verbindung zu ihrer Umwelt stehen. Zum Leben erwachen sie nicht (nur) auf gerade gespannten Leinwänden, sondern Hauswänden, Mauerstücken und auf Wasserflächen.
Die Uraufführung des "Musikrausch Oberlausitz" erweitert Petr Mikšíček um eine visuelle Ebene: Während historische Werke aus dem Sechsstädtebund in neuer Interpretation erklingen, beziehen sich die flüchtigen Bilder der Videoprojektion auf das Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Sie erinnern an vertriebene, verfolgte und getötete jüdische Mitbürgerinnen, geben Erinnerungen ein Bild und verweisen auf die Wurzeln, die unsere Gegenwart in der Vergangenheit hat.
Die Uraufführung des MUSIKRAUSCH OBERLAUSITZ schließt den Festtag zum 675. Gründungsjubiläum des Sechsstädtebundes auf der Festwiese Löbau ab.
Das Projekt wird gefördert durch
Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien
Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Musikfonds e.V.
Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond
Fonds Darstellende Künste e.V.
Stiftung der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien